Jahrestage, die nie zu ganz normalen Tagen werden

Schön gelegene Gräber auf dem Friedhof - Pflanzen und mehr

Vor sechs Jahren schrieb ich schon einmal über diese Jahrestage, die mit Verstorbenen zu tun haben. Weitere sechs Jahre später, habe ich dazu gelernt, aber es bleibt, dass es keine alltäglichen Tage sind.

Inzwischen habe ich seit 41 Jahren keinen Vater mehr. Er selbst wurde nur 40 Jahre alt, ist jetzt also länger tot, als er lebte. Gefühlt sind so viele Jahrzehnte eine Ewigkeit, und doch, irgendwas ist bis heute nicht vorbei.

Unwiederbringlich

Dieses ‚unwiederbringlich‘ vorbei, das ist für mich das was es bis heute schwierig macht. Egal ob Gutes oder Schlechtes, es war ein Schnitt und nichts ließ sich daran ändern. Es gab nicht die Gelegenheit zu Schlechtem Fragen zu stellen. Die Chance das Gute was ein Kind mit seinem Vater verbindet zu bekommen, war starb ebenfalls an diesem Tag. Es gab meinen Vater dann einfach nicht mehr. Ich kann nicht beurteilen, was ich später als Teenager oder als Erwachsene gern von ihm gehabt hätte. Auch weiß ich nicht genau, wobei es gut war, dass ich es verpasst habe.

Schwierig finde ich bis heute, dass ich alles am Verhältnis zu meinem Vater, seither nur mit mir selbst klären kann.

Vorher ist besser als unwiederbringlich

Andererseits habe ich daraus auch gelernt. Die Beziehung zu meiner Mutter war in Facebooksprache zumindest dieses ‚es ist kompliziert‘.

Es gibt Punkte, für die ich heute noch dankbar zurück schaue, weil sie mir Gutes beigebracht hat. Doch es bleiben auch Themen, bei denen kein Gespräch half, um nachvollziehen zu können, wie sie so handeln konnte, wie sie es tat.

Zum Guten gehörte, dass ich immer Antworten bekam, wenn ich es unbedingt wollte. Wenn ich hartnäckig genug mehrfach fragte, antwortete sie am Ende immer. Manch eine Antwort nützte nicht viel, sowas wie „Ich dachte doch, es wird nichts passieren, es kann nicht, es darf nicht sein, dass es doch passiert ist.“

Gegenüber meiner Mutter blieben zumindest keine zu beantwortenden Fragen offen. Auch unangenehme und konfliktträchtige Themen schob ich ihr gegenüber nie auf den ‚Sankt-Nimmerleinstag‘, sondern sprach an, was mir wichtig war. Egal wie schwierig, es gab keine Tabuthemen. Natürlich war es für mich ihr gegenüber auch leichter, denn ich war über dreißig als sie starb, das war anders, als beim Tod meines Vaters als Kind.

Als meine Mutter ernster krank wurde, sprach ich zusätzlich an, was ihr wichtig wäre, wenn sie einmal stirbt. Manches war mir schon vorher klar, es gab nichts, was mich wirklich überraschte.  Darüber hinaus meinte sie, alles was sie nicht explizit erwähnt hätte, das solle ich so handhaben, wie ich es für richtig halte, sie vertraue meinen Entscheidungen.

Für mich war die Sicherheit genau zu wissen, wie ich in ihrem Sinn handeln kann, eine immense Erleichterung, als sie dann starb. Egal wer meinte, ich müsse etwas aber so oder so handhaben, ich konnte mit dem Wissen sie gefragt zu haben, immer klar antworten, dass ich ihre Entscheidungen umsetze.

Bleibt alles immer gleich?

Für mich ein klares Nein.

Die Todestage meiner Eltern sind an zwei aufeinander folgenden Tagen, die beiden Geburtstage dann innerhalb von knapp vier Wochen danach. Ich mag die anderen elf Monate des Jahres, ohne solche beeinflussenden Jahrestage. Diese Wochen um die Jahrestage sind und werden wohl nie, meine Lieblingszeit im Jahr. Und doch hat sich beim Rückblick auf meinen Artikel aus 2009, etwas verbessert.


Das Grab meiner Mutter allein zu besuchen, fällt mir noch immer schwer, obwohl ich an sich Friedhöfe mag. Doch es geht inzwischen, wenn ich für einen passenden Rahmen sorge. Ich bin ja, an sich, erwachsen, groß und kann alles. Es sind die kindlichen Anteile in mir, die Mühe haben, da geht es um die Mama, die fehlt. Seit ich das verstanden habe, sorge ich dafür, dass das Kindliche sein darf. Dann gibt es eben ein kindliches Deko-Extra, oder etwas selbst Bemaltes, oder eine Extrablume, die nicht sinnvoll ist. Damit habe ich mir ein Stückchen Freiheit im Umgang zurück erobert und das fühlt sich besser an, als immer jemanden wegen Begleitung auf den Friedhof, fragen zu müssen.

Besser ist auch der zeitliche Umgang. An sich weiß ich ja, um welche Tage es geht. Mir entfällt das nur, wenn ich mir keine Zeit fürs Trauern nehmen will. Wenn ich versuche so tun, als wäre alles vorbei, lange her und mache mir nichts aus, dann passieren viele Pannen. Es gelingt mir mit jedem Jahr besser, feste Zeiten für diese Tage einzuplanen. Ich habe akzeptiert, dass Ignorieren eher zu einem Bumerang wird, die Quittung kommt garantiert. Deshalb achte ich schon einige Wochen vorher darauf, diese Tage nicht völlig zuzuplanen. Manche Termine, die ich nicht mag, die gibt es in diesen Wochen einfach nicht, die müssen im Rest des Jahres sein.  Und ich nehme mir ein bisschen Extrazeit, die ich offenbar brauche, ob es mir nun gefällt oder nicht. Dabei führen schon fix eingeplante zwei Stunden für einen Friedhofsbesuch, zu einem deutlichen Unterschied.

Anders gesagt: Erwachsen, auch mit dem Thema Trauer umgehen, heißt eben nicht obercool und superstark zu tun. Stattdessen ist es wesentlich erwachsener zu akzeptieren, dass immer cool sein, nicht geht und mir anzuschauen, was ich eben brauche.

Der Umgang mit Todesfällen gehört zum Leben, den können wir uns nicht aussuchen. Aber wie wir mit uns selbst dabei umgehen, das können wir entscheiden.


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