Der Alltag kehrt zurück Palästina ::: Freiwilligendienst


Bei den Freiwilligen kann man nachlesen wie schnell es von den ersten Meldungen der Waffenruhe zurück in den Alltag ging.

21.1.09 Grün

  • Jerusalem enge Gassen kaum MenschenJerusalem armenisches Viertel

Tobias:

„seit 18-02-2009 02:00 Uhr herrscht offiziell Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas. Darüber sind wir alle sehr froh. Israel hat bereits all seine Truppen aus dem Gazastreifen abgezogen. Bedenklich sind jedoch die Berichte über erneuten Raketenbeschuss aus dem Küstenstreifen und die darauf erfolgen Luftangriffe der IAF.
Wir sind alle über das unverhältnismäßige, unmenschliche, rücksichtslose Vorgehen der Israelischen Armee erschüttert. Für den Friedensprozess und die gemäßigten Kräfte auf beiden Seiten bedeutet das enorme Rückschläge. Obwohl sich beide Seiten als Sieger erklärt haben, muss man ganz klar sagen, dass beide Seiten – vor allem Israel – verloren haben. Die erklärten israelischen Ziele wurden nicht erreicht: die Hamas wurde nicht zerschlagen, der Waffenschmuggel nicht gestoppt und der Raketenbeschuss dauert an.
Wird die UN-Resolution 1860 (u.a. Hilfslieferungen, Grenzöffnungen, Friedensverhandlungen) nicht baldmöglichst umgesetzt, wird sich die Geschichte in wenigen Wochen bis Monaten wiederholen. Für die Menschen in Gaza hat sich die Situation ins unerträgliche verschlechtert. „

Talitha Kumi, Beit Jala ::: Rüdi per Telefon:

„In der Schule ist es ruhig und alles geht den geregelten Alltagsweg. Mit etwas Aufwand sind die Schüler verbunden, die jetzt das ‚Deutsche Sprachdiplom‘ ablegen. Im Gästehaus ich kaum etwas los, die meisten deutschen Gruppen, haben ihre Reisen storniert.“

Willy Brandt Center, Jerusalem ::: Tobi:

„Am Donnerstag und Freitag hatten wir in kleiner Runde ein Krisenseminar mit unseren Movementpartnern in Talitha. Ich glaube wir waren eine sehr einfache Gruppe diesmal. Am Samstag besuchen Katrin und ich den Kindergarten meiner Mitarbeiterin auf dem Ölberg und vergnügten uns mit den Kids. Am Nachmittag zeigten wir in einer Red Lounge den Film ‚Forgiveness‘ mit anschließender Diskussion mit dem Regisseur und einem Pariser Philosophen. Sehr interessante, gut besuchte Veranstaltung.
Am Montag habe ich die Wohnung für unsere nächste Praktikantin besichtigt und war bei einer Filmvorführung über Ostjerusalem.
Heute habe ich mit unserem Hausmeister unseren WG-Boiler ausgetauscht, sodass wir nach 6 Tagen auch wieder warmes Wasser haben. Heute Nachmittag, war ich bei einer Veranstaltung zur Medienberichterstattung während des Gazakrieges.“

Ha’Gan Ha’Shikumi, Jerusalem ::: Leo:

„am wochenende habe ich im paulushaus hilfsgüter für gaza verladen und transportiert. nur eineige straßenecken weit…. aber immerhin. desweiteren waren wir im konzert vom schlomo arzig, einem berühmten bühnenstar in israel. alles in kombination einer spendenaktion vom kindergaren. mir geht es gut.“

Doch deutlich näher, als es in den Schlagzeilen ankommt. In dieser Woche war Gaza und der Krieg ganz nah dran und veränderte den Alltag der Freiwilligen in Palästina und Jerusalem.

29.1.09 Grün

Tobias:

„es ist ruhig geworden in Israel und Palästina, auch in den Medien. Doch die Ruhe trügt: noch immer werden Ziele im Gazastreifen von der israelischen Luftwaffe beschossen, noch immer fliegen vereinzelt Raketen. Ein israelischer Soldat wurde am Montag von einer Granate getötet, die IAF erschoss darauf hin einen Hamasführer.
Doch die Israelische Gesellschaft scheint mit dem Krieg abgeschlossen zu haben und schaut nun wieder auf die Knessetwahlen im Februar. In der Palästinensische Gesellschaft scheint sich ein Wandel zu verziehen: zum einen soll ein erneuter Bruderkrieg mit der Hamas vermieden werden, weshalb man sich für einen Dialog ausspricht. Auf der anderen Seite, traut man den politischen Führern nicht mehr. Abu Masen ist praktisch tot.“
Am 27. Januar, dem Holocaustgedenktag, waren Katrin und ich bei einer Filmvorführung des Beit Ben Yehuda zum Thema: ‚The second generadtion faces the past‘. Ein sehr guter Film von Malte Ludin über seinen SA-Vater und den Umgang seiner Geschwister mit der Geschichte des Vaters

Talitha Kumi, Beit Jala ::: Eva:

„In Talitha ist alles in Ordnung und beim alten. Zweimal in der Woche werden wir ab jetzt mit den Schülern, die einmal das deutsche Abitur machen wollen (DiAP), nachmittags lernen und Hausaufgaben machen, auch in der Boarding Section werden wir mehr eingespannt werden, so dass es sicher arbeitsintensiver wird. Bisher macht uns das allen aber Spaß, und das gleicht den Stress aus. Dazu kopmmen allerdings auch noch die DSD-Prüfungen (Deutsches Sprachdiplom), wo jeder von uns 6 Schüler auf die Prüfung vorbereitet.
Ich habe letzte Woche bei einer Kinderfreizeit mitgearbeitet, was mir sehr großen Spaß gemacht hat! Die Kinder waren einfach klasse, und es war auch schön mal mehr außerhalb Talithas zu machen. Außerdem hatte ich am Montag Geburtstag, was wir sehr schön gfeiert haben (gleich drei mal). Hat mich sehr gefreut wie viele Menschen gekommen sind!“

Aus den anderen Projekten inzwischen wieder alltägliches. Die Berichte die mit dem Krieg und dessen Folgen für die Menschen zu tun haben, werden bereits deutlich weniger.

4.2.09 Grün

Talitha Kumi, Beit Jala ::: Rüdi:

„In dieser Woche gab es nichts allzu neues. Weiterhin sind wir mit DSD ordentlich beschäftigt und auch sonst schnellen die Wochenstunden in die Höhe. Am Samstag abend waren Eva S. und Eva I. in Tel Aviv bei Volotreffen der Botschaft. Seit Samstag ist außerdem Rikes Familie da. Am Donnerstag empfangfen wir erneut mit aller Freude Das Willy Brandt mit Tobi!? [Tobi: nein ich werde nicht mitkommen]
Kurz und knapp, es geht uns gut!“

In allen anderen Projekten keine besonderen Meldungen.

  • Mauer in Bethlehem WachturmWachturm innerhalb der Mauer in Bethlehem

Als wäre nichts gewesen.

Desinteresse oder Fähigkeit?

Was im ersten Moment wie Desinteresse scheint, so als wäre es nicht mehr wichtig, das ist wohl die Ursache, warum die Menschen trotz ständiger Kriege, Anschläge und Bedrohungen überhaupt noch überleben können. Ich glaube nur die Fähigkeit außerhalb der schlimmsten Krisen wieder weitgehend einen Alltag zu leben, ermöglicht den Menschen in Krisenregionen ein Stück Normalität. Nur so haben sie die Chance auch noch was anderes als Horror und Schrecken wahrzunehmen.

Die Freiwilligen, die hier berichten, scheinen es überwiegend ebenfalls so lösen zu können. Wenn nötig ist die Auseinandersetzung da, das „sich befassen mit dem Krieg“, die Unterstützung bei Hilfslieferungen und ähnlichem, doch sobald wie möglich nimmt der Alltag wieder einen größeren Raum ein, als die Katastrophe.

Eine sehr gesunde und erstaunliche, menschliche Fähigkeit.


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