Es ist an der Zeit… erste kleine Operation zur Gewebeentnahme


Erster Teil
Es gab dann ein ausführlicheres Arztgespräch, Genaues wisse man erst nach der Gewebeentnahme, aber alles deute auf Krebs voraussichtlich eher bösartig hin.

  • von hinten HWSvor der OP

Nun, ich fragte noch knapp nach der Gewebeentnahme und dann reichte es erstmal. Irgendwie musste ich es meinem Sohn beibringen, ich wusste nur nicht wie. Vieles lief sehr offen in Freiburg, die Ärzte und das Pflegepersonal bezogen die Kinder dort deutlich klarer ein, als dass bei manchen Kinderarztvertretern in Konstanz der Fall war. Aber das ein oder andere Gespräch fand eben doch erstmal ohne das Kind statt. Ich hätte mich gern gedrückt und es jemand anderem überlassen, es meinem Junior zu sagen, was das wahrscheinlich bedeutet. Aber es war niemand da, dem ich das hätte abgeben können, es gab das Personal, ihn und mich. Das Gespräch selbst war harmloser, als meine Befürchtungen vorab. Der Neunjährige wusste nach diesem Tag schon recht genau, was das bedeutete. Er wollte die Bestätigung von mir, wollte den nächsten Ablauf wissen und das war’s.

…aber Genaueres ist erst nach der Entnahme zu sagen. Ganz sicher ein Tumor, erst nach einigen Tagen wird ganz genau klar sein, welcher Art. Da dieses Ding jedoch so schnell gewachsen ist, wohl bösartig, mit anschließender Chemotherapie.“ Der Satz kreiselte noch lang in meinem Hirn, einige Zeit später suchte ich mir nochmal den diensthabenden Arzt und stellte konkretere Fragen. Das änderte nichts an der Diagnose, aber ich wollte wenigstens wissen, was nun kam. Zunächst stand die Gewebeentnahme an, die wurde auch am übernächsten Tag, nach einem Tag mit weiteren Untersuchungen durchgeführt.

Eigentlich wusste ich, dass nach einer Gewebeentnahme nicht sofort die endgültige Diagnose gestellt wird. Mehrfach hatte ich in anderen Situationen mitbekommen, dass da erst was gezüchtet wird, bevor man eine endgültige Aussage macht. Tja, dieses Mal war es mir entfallen, ich fiel aus allen Wolken, als es hieß es wird mindestens einige Tage dauern, bevor mehr bekannt ist. Sicher war im Moment nur, laut Computertomographie war da ein Tumor, ausgehend vom sechsten Halswirbel in der Größe 6,5 auf 4,5 Zentimeter, voraussichtliche Dicke 5,5 cm. Klingt gar nicht so riesig, aber an der Halswirbelsäule eines Neunjährigen, der zu der Zeit 1,39 m groß war und 34,4 kg wog, war das Ding schon sehr groß.

Das einzig Positive nach drei Tagen war, dass bisher noch bei keiner Untersuchung ein Hinweis auf Metastasen gefunden wurde. Alles was nicht im Zusammenhang mit dem Tumor stand und untersucht wurde, war normgerecht und unauffällig. Die Schulterprobleme, das Taubheitsgefühl im rechten Arm, gepaart mit Überempfindlichkeit an anderen Stellen des Arms waren alles für Neurologen völlig logische Auswirkungen des Tumors.

Die Aufnahmen vom Januar der Orthopädin waren inzwischen eingetroffen, selbst nach der großen Operation und allen späteren Bildern, waren sich die Ärzte einig, dass man nur mit dem heutigen Wissen an Hand der damaligen Bilder hätte erahnen können, dass da etwas wächst. Die Ärzte waren nicht der Meinung, dass es richtig war, deshalb nur mit Krankengymnastik vorzugehen, aber die ersten Bilder hätten wirklich nicht darauf hingedeutet, was sich da entwickelt. Allerdings hätte man zwischendurch und sehr viel früher eine Kernspintomographie machen sollen.

Wenn ich heute die Bilder sehe, frage ich mich fast noch mehr als damals, wie eine Orthopädin da immer wieder sagen konnte, dass sei nur eine schlechte Haltung. Die rechte Schulter war völlig nach unten verschoben, die gesamte Halswirbelsäulenbereich war alles andere als mittig, der Kopf ragte vollständig aus der Mittellinie heraus. Ich bin Laie, mir war auch durch die Entwicklung der verschobenen Haltung, die ja nicht von einem auf den anderen Tag kam, sondern sich Stück für Stück verschlechterte klar, dass es dafür eine andere Ursache als Mangel an Bewegung geben muss.

Mehrfach kam der Hinweis, dass der Tumor sehr, sehr spät erkannt worden sei, dass das ein echtes Problem werden könnte. Alles weitere Vorgehen hing jedoch davon ab, was es für ein Tumor ist. Es gäbe verschiedene Wege, je nach Tumor. Meist sei es eine Kombination aus OP und Chemo, es gäbe jedoch auch Fälle, in denen nur eins von beidem sinnvoll sei. Die Gewebeentnahme war mit Hin- und Rückweg in einem Vormittag erledigt. Manche Untersuchungen und alle Operationen wurden im Hauptgebäude, nicht in der Kinderklinik selbst durchgeführt.

In den nächsten Tagen gab es tagsüber meist einige weitere Untersuchungen, ich wusste bis dahin nicht, wieviele verschiedene Geräte in solch einem Fall eingesetzt werden können. Es wurde alles unternommen, um so sicher wie möglich zu sein, was da nun genau, an welcher Stelle ist. Ich war mehrmals täglich Dauergast beim diensthabenden Arzt, abends ab sechs Uhr war da meist Gelegenheit, die Fragen des Tages und der letzten Untersuchungen zu stellen. Der Arzt war, wie das ganze Personal der Kinderklinik sehr geduldig und beantwortete jede neue Frage, wenn er gerade einen Moment Zeit hatte.

Genervt hat mich nur die Psychotherapeutin. Bestimmt meinte sie es gut, aber ich wollte grad nicht wissen, wie es dann alles sein wird mit Unterricht auf der Station, denn es ginge ja wohl alles länger. Ewig dauerten die Ferien ja auch nicht. Ich wollte auch nicht in die Gesprächsgruppe, ich wollte keine Anteilnahme und noch viel weniger wollte ich über die Situation reden. Ich wollte Fakten, die hatte sie nicht, und damit war sie für mich uninteressant. Der Neunjährige war noch schneller mit ihr fertig, nach wenigen Sätzen, erklärte er, dass es ihn jetzt alles nicht interessiere, wenn es dann soweit sei, würde er schon alles wichtige erfahren.

Insgesamt war der junge Mann cool, er dutzte jeden und er fragte alles, verhandelte wo immer es ging. Der Arzt wollte drei Spritzen Blut abnehmen, erklärte wie er es vorhat und dass es kurz weh tun wird. Der Neunjährige dazu: „Wieso machst du das nicht gleich richtig, dann musst du nicht dreimal stechen.“ Die Begründung war verschiedene Füllungen für unterschiedliche Untersuchungen. Das Kind darauf: „Dann darf ich aber auch drei Sachen aus der Dose nehmen.“ Klar durfte er. Die Dose war im Arztzimmer und enthielt kleine Spielsachen, bei unangenehmen Untersuchungen durften sich die Kinder danach etwas aussuchen.

Das ein oder andere Mal handelte er vorheriges Aussuchen aus, denn falls nichts passendes in der Dose sei, dann würde er, der Patient, auf die Untersuchung verzichten… ;-) Mein Sohn war und ist glücklicherweise auch lange nicht so ungeduldig wie ich, er kam bei passender Ablenkung durch Bücher und Gespräche recht gut mit Wartezeiten klar. Sei es vor oder nach einer Untersuchung oder eben die gesamte Wartezeit auf irgendein konkretes Ergebnis.

Gefühlt war es Jahre später, inzwischen war ich sogar doch einmal bei so einem Gesprächsabend und es war sogar ganz ok… Jedenfalls irgendwann war dieser Bericht doch da, die Ärzte strahlten, ich fand zunächst nicht, dass ein Osteoblastom ein Grund zur Freude ist. Erst der Hinweis auf nicht bösartig, kein echter Krebs, höchstwahrscheinlich keine Chemo nötig, der kam dann an.

>>> zum siebten Teil


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