Gaza ist weit weg und doch nicht ::: Januar in Palästina und Jerusalem


Im Moment ist es, durch den Krieg, doch noch wichtiger diverse Eindrücke und Meinungen zu hören und zu lesen. Erstmals deshalb ungekürzt die Nachrichten vom Freiwilligendienst.

8.1.09 Grün

Tobias:

„auch die die Bilder in den Zeitungen und vor allem im Fernsehen dramatisch und schlimm aussehen (was sie natürlich auch sind) bekommen wir mittlerweile kaum mehr etwas davon mit. Das meiste erfahren wir auch aus den Medien. Der große Unterschied ist, dass Freunde und Bekannte oft betroffen sind und auch berichten. Einige Bekannte auf beiden Seiten haben die ersten Verluste zu beklagen, es ist kein anonymer Medienkonflikt mehr.
Dennoch ist die Lage für uns ungefährlich und ruhig. In Jerusalem und Bethlehem ist es still geworden, das Leben geht weiter, nur die Leute, die gerade Nachrichten schauen klagen leise, aber bestimmt.“

Talitha Kumi, Beit Jala, Eva:

  • Jerusalem Suq Jerusalem Suq Dezember 2008
  • Jerusalem Bougainvillea Jerusalem Dezember 2008

„In Talitha ist es gerade sehr ruhig, da immer noch Schulferien und fast keine Gäste da sind. Wir genießen die Freizeit. Gestern waren wir in der Geburtskirche, für das orthodoxe Weihnachtsfest, was wirklich sehr interessant war. Morgen geht es nach Jericho, am Freitag gibt es dann noch einmal gemeinsam Essen gehen, in ein neu entdecktes Spitzen-Restaurant :) um dann am Samstag mit neuen Kräften ins zweite Schulhalbjahr zu starten. Erstaunlich, dass die erste Hälfte schon vorbei ist… wir sind gespannt was es bringt und hoffen, dass es toll wird!
Hier ist alles sehr ruhig, man bemerkt so gut wie gar nichts von den „kleinen Problemen“ im Gazastreifen. Nur im Gespräch und in den Nachrichten kommt es natürlich oft vor… doch Talitha ist nach wie vor ein Hafen der Sicherheit, auch wenn es hier auch sonst nicht unsicher ist.“

SOS-Kinderdorf, Bethlehem, Chris:

„Nach den Demonstrationen und Streiks der ersten Tage ist bei uns in Bethlehem der Alltag zurückgekehrt. Die nicht zu ihren Familien aufgebrochenen Kinder genießen noch ihre letzten Ferientage unter einem tagsüber äußerst angenehmen Sonnenhimmel. In den nächsten Tagen steht den Kindern die Aufgabe eines selbstgebauten Schachspiels bevor was wir – inshalla – noch vor Beginn der Schule fertigstellen können.
Gestern durften wir in der Geburtskirche das zweite der insgesamt drei Weihnachtsfeste in Bethlehem bestaunen, wo die Kirche voll von Menschen aus aller Welt war. Nachdem gestrigen orthodoxen Weihnachtsfest wird am 18. Januar noch das armenische folgen.“

Willy Brandt Center, Jerusalem, Tobi:

„Raana, eine meiner Chefinnen ist aus Deutschland zurück. Wir hatten am Wochenende Seminar der Meretz-Jugend zur Wahlkampagne für die Knessetwahlen im Februar. Das hieß auch Arbeit am Wochenende und einiges hinterher räumen. Katrin und ich hatten 5 Tage Besuch von einer Freiwilligen mit Freund aus dem Norden des Landes und so wurde uns auch nicht langweilig.
Jerusalem ist erstaunlich ruhig: keine Krawalle mehr, keine Demos und alle Läden haben wieder geöffnet. Läuft man nachmittags durch die sonnige, stille Stadt, kann man nicht glauben, dass nur 60 Km weiter ein Krieg wütet.“

Ha’Gan Ha’Shikumi, Jerusalem

Wollen nix sagen ;-)

Ich finde es erschreckend wie nah dran in Kilometern der Krieg dort ist, verwundert aber auch beruhigend ist, wie viel Alltag ohne spürbare Auswirkungen möglich ist. Sehr gut beschreibt das auch Svenja, die seit Oktober für ein halbes Jahr in der Gegend als Journalistin reist und mit Menschen spricht.

14.1.09 Grün

Tobias:

„heute Mittag versetzte ein falscher Luftschutzalarm Jerusalem für einige Minuten in helle Aufregung und Panik. Die Sirenen wurden durch einen technischen Fehler ausgelöst und waren in ganz Jerusalem zu hören. Die Situation in Jerusalem wird immer bedrückender: neben den Todeszahlen und stündlichen Schreckensmeldungen, wird die Situation durch die Medienpropaganda und einen Verlust des kritischen Denkens, auf beiden Seiten, noch geladener. Jüdische und arabische Israelis wollen nicht mehr aufeinander treffen, setzten sich nicht mehr gemischt in ein Café oder den Bus. Noch viel tiefer ist die Kluft zwischen Israelis und Palästinensern geworden: das Vertrauen und die letzten Funken Hoffnung sind für die nächsten Jahre von der IDF zerbombt worden. Dennoch und allen Schreckensmeldungen zum trotz geht das Leben auch weiter. So haben Leo, Katrin und ich am Samstag eine sehr schöne Wanderung durch ein einsames Wadi unternommen, fern ab von Raketenbeschuss und Artilleriefeuer. Dennoch hat sich an der objektiven Sicherheitslage in Jerusalem und Bethlehem nichts geändert. Wir sind weiterhin nicht von den direkten Ereignissen betroffen.“

Rüdi:

„Uns freut es, dass in Talitha letzten Samstag die Schule und somit der Alltag wieder begonnen hat. Verwundert sind wir allerdings darüber, dass ab nächster Woche das zweite Schulhalbjahr beginnt und wir somit von der Schule her auch schon unsere erste Hälfte rum haben. In diesem Halbjahr haben wir einiges mit DSD- Vorbereitungen zu tun, hierbei sollen Schüler einen kleinen Vortrag auf Deutsch erarbeiten. Morgen ist dank des Neuen Jahres der Orthodoxen wieder schulfrei. Diese Gelegenheit hat Eva I. genutzt um mit einem Mädchen aus der Boarding Section dieses Ereigniss zu feiern. In den nächsten Tagen wird uns Tobi und das Willy Brandt Center wieder im Gästehaus beschäftigen, aber das wird erwartungsgemäß wahrscheinlich recht ruhig ablaufen.“

SOS-Kinderdorf, Bethlehem, Tobi:

„im sos hat die schule wieder begonnen, und alle Kinder sind im verlauf der letzten woche wieder von ihren familien ins sos zurückgekehrt.daher werden wahrscheinlich auch bald wieder die regelmäßigen aktivitäten des sos, wie zum beispiel schwimmen und fußball wieder aufgenommen werden.. für chris gestaltet sich die arbeit im aida- champ in letzter zeit besonders inteniv, da für anfang februar eine erste ausstellung des photokurses geplannt ist.“

Willy Brandt Center, Jerusalem, Tobi:

„Es ist full house im Zentrum: alle sind aus Deutschland zurück und alle Schreibtische sind besetzt. Ich bin mit der Buchhaltung, Übersetzungen, Programmen für die nächsten Delegationen und der Homepage beschäftigt. Und mit ein paar Vorbereitungen für das vor Rüdi schon erwähnte Seminar. Der Krieg macht die Arbeit hier natürlich nicht einfacher, ganz im Gegenteil. Die Ereignisse setzen allen immer mehr zu, vieles  macht keinen Sinne mehr, vieles muss neu überdacht werden.“

Ha’Gan Ha’Shikumi, Jerusalem, Leo:

„Das Wadi-Quelt hat uns hat bei mir schöne Erinnerungen und Wadenschmerzen hinterlassen – mehr dieser sicherheitsgeprüften Wochendausflüge sollen folgen. Mein Familienbesuch ist abgereist, nun bleibt wieder Zeit sich projektübergreifenden und sprachlichen Aktivitäten zu widmen. WG-interner Tandempartner, neue Dorffreundschaften und mein Sport halten mein Hebräisch fit. StraßenSlang kann nie schaden. Für alle die sich vielleicht sorgen machen: ich wohne und arbeite so weit von Stadtzentrum enfernt, da müsste man die Kassamrakete schon aus der jerusalemer Innenstadt abfeuern.“

Beklemmend:

Berichte vom Alarm, die immer größere Entfernung der Palästinenser und Israelis voneinander…

Beeindruckend:

Selbst in dieser Situation klappt irgendwie Alltag.

Tausende Kilometer von Gaza entfernt

Müsste es nicht mit rund 3000 Kilometern Abstand kinderleicht sein, Verständnis für beide Seiten aufzubringen? Sollte es nicht völlig problemlos klar sein, dass nicht mitten in der Situation befindliche auch mit sachlichen Argumenten umgehen können?

Leider ist es ganz und gar nicht so. Die Berichte in den Medien werden aus meiner Sicht häufiger mal eher aus palästinensicher Sicht betrachtet, dann wieder gewohnt israelisch. Doch selbst in den Medien kenne ich inzwischen schon die eher pro-israelischen Journalisten ebenso wie die pro-palästinensischen Berichterstatter.

Noch erschreckender ist, was nach wie vor in Blogs und Foren abläuft:

Dirk verweist auf Probleme, für Deutsche, die nicht zwanngsläufig pro-israelisch denken und berichten. Er verlinkt Artikel, die keineswegs anti-israelische Parolen enthalten, wie man glauben könnte, wenn man die Kommentare liest. Nein, er verweist auf vier verschiedene Quellen: Wikipedia, Spiegel, das auch oben schon erwähnte Blog der Journalistin, den arabischen Nachrichtensender Aljazeera (en).

onli berichtet knapp und mit jeweils relevantem Link, er versteht auch nicht, was Dirk vorgeworfen wird.

Die Kommentare in Svenjas Blog sind teils jedoch ebenso wenig nachvollziehbar, denn sie berichtet sehr klar von beiden Seiten:

Raketenbeschuss in Israel oder Kriegsfront quer durch Israel

Wer noch die weiteren Beiträge liest, weiß, dass kaum jemand so objektiv schreibt und beiden Seiten Raum gibt.


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