Sich sicher fühlen als Frau allein unterwegs…


  • Fastnacht Skater-Look utele.eu Ute im Gangsta-Rapper-Look an Fastnacht

Ich kenne viele Frauen, die sich, vor allem abends sehr genau überlegen, wohin sie gehen, wo sie parken, ob sie überhaupt aus dem Haus gehen ohne Begleitung.

Ich gehe überall allein hin, wo ich mag. Egal um welche Tages- oder Nachtzeit und was für ein Tag gerade ist, wenn ich etwas möchte, mache ich das auch. Für mich ist das ein Stück Freiheit. Das kenne ich jedoch auch anders, das war nicht immer so.
Ihr glaubt, wenn ich immer so unterwegs bin, wie auf dem Bild, dann sei es klar, dass niemand mich angreift? ;-) Nun, ich sehe nicht immer so aus, das Bild ist von Fastnacht und für die eigene Freiheit braucht es mehr als die passenden Klamotten.

Konstanz ist eine Kleinstadt, da gibt es nicht übermäßig viel Kriminalität, aber auch hier passiert immer mal wieder was. Es gab Zeiten, da ging ich allein höchstens mit entsicherter Tränengaspistole noch abends allein in die Stadt, das Auto an einer befahrenen Straße geparkt, beim Einsteigen gleich von innen verschlossen… Meist vermied ich jedoch überhaupt irgendwo abends allein hinzugehen.

Paranoid? Übertrieben ängstlich? Nein, nicht wirklich. Es passierte mir häufig auch in Gesellschaft, dass ein Mann meinte so ein Küsschen wolle ich bestimmt, man könne auch mal hier oder dahin fassen… Ich zog solche Situationen an, wie das Licht die Mücken. Selbst mit dicken Motorradklamotten abends am Seeufer kam es zu solchen Situationen.

Was hat sich geändert?

Irgendwann wieder mal ein Abend, eine Stelle am Rheinufer, die ich sehr gern mag und wo ich häufiger mal noch eine halbe Stunde abends hinging, wenn ich vorher unterwegs war. Ein Typ, den ich flüchtig kannte stand plötzlich neben mir, fasste mich an. Dieses Mal hatte ich noch das Motorrad zwischen mir und ihm, ich wollte grade wieder wegfahren. Wie immer wusste ich nicht, wie ich aus der Situation wieder rauskomme, ich hatte keine Hand frei und ich wollte das Motorrad nicht umwerfen. Ich hatte einen kurzen lichten Moment, denn es klappte ihm zu sagen, ich könne heute wirklich nicht, aber ich käme morgen um acht wieder her. Es klappte, er war sich so sicher, dass ich wieder käme, obwohl ich vorher gesagt hatte, dass ich nichts von und mit ihm wolle, dass er mich gehen ließ. Es war auch bereits sehr spät, vielleicht war das mit ein Grund.

Ich stieg auf und fuhr los, leicht panisch, zittrig, ziemlich durch den Wind, aber erst einmal war ich weg. Bisher hatte ich selten jemand von solchen Situationen erzählt, ich vermied einfach die Orte, an denen so etwas vorfiel. Doch damit wurde die Stadt Stück für Stück immer kleiner, denn die Stellen, zu denen ich lieber nicht mehr allein ging wurden immer mehr.

Dieses Mal erzählte ich es einem Studienkameraden, der völlig schockiert war und meinte, es kann überhaupt nicht sein, dass ich da nicht mehr hingehe, es sei mein Platz, mir sei diese Stelle wichtig, ich müsse da sicher hingehen können, egal wann. Hm, ja klang schon nicht schlecht, aber ich beschloss, ich gehe einfach nicht mehr hin.

Ich hatte jedoch meinen Studienkollegen völlig unterschätzt, der sagte das nicht nur, er hatte bis mittags weitere drei Jungs organisiert, die der Meinung waren, dass das nicht sein kann. Eine halbe Stunde vor der verabredeten Zeit gingen also vier große, kräftige Jungs mit mir zu der „Verabredung“. Der Typ ließ sich nicht wirklich blicken, aber ich bin mir sicher, er war da und er hat verstanden.

Doch für mich war viel entscheidender, ich hatte es erstmals wirklich verstanden. Bis dahin wusste ich im Kopf, dass ich mich wehren darf, dass niemand etwas gegen meinen Willen tun darf, aber in konkreten Situationen, war das alles weg und ich war unfähig mich zu wehren.

Bis zu diesem Zeitpunkt, da war ich schon über dreißig, war es nie passiert, dass jemand reagierte, wenn ich von Übergriffen erzählte. Die vier ausgewachsenen Männer, die nur mit mir studierten, die nicht verantwortlich waren, fanden es jedoch selbstverständlich sich die Zeit zu nehmen und mir zu helfen. Ich habe an diesem Abend das erste Mal wirklich gefühlt, dass es richtig ist sich zu wehren, dass es keine Entschuldigung für irgendeinen Übergriff gibt.

Sich selbst verändern

Klar, der Abend allein hätte wahrscheinlich nicht genügt, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, ich kann mich nur wehren, wenn eben vier große Jungs dabei sind. Doch die Jahre des Wen-Do-Trainings zuvor, gab es ja auch noch. Seither wusste ich zumindest theoretisch, dass ich mich in den meisten Situationen erfolgreich verteidigen könnte.

Nur bis zu diesem Abend nützte mir das nichts, weil ich im Kopf nicht klar hatte, dass ich das darf. In konkreten Situationen wurde ich entweder völlig hilflos oder beschloss, naja so ein bisschen Übergriff rechtfertigt doch nicht, den Typ anzugreifen. Das sehe ich heute anders.

Seit diesem Abend vor inzwischen doch auch schon wieder sehr vielen Jahren, hat mich nie wieder jemand angefasst, von dem ich es nicht wollte, es gab keine Küsschen mehr, weil der Abend doch so nett ist, keine Übergriffe jedweder Art. Vorher gab es alle paar Wochen irgendwelche derartigen Situationen. Das ist kein Zufall, dafür ist es zu eindeutig, das ist die Veränderung, die bei mir irgendwann auch im Bauch ankam. Bis dahin hatte ich eine Ausstrahlung die für viele Typen sagte: „Mit der kannst du es machen, die lässt dich, wenn du genug Druck machst.

Inzwischen strahle ich eher aus: „Überleg dir gut, ob du dich mit der anlegen willst, es gibt viel leichtere Opfer.“

Ich bin aus meiner Erfahrung und dem was ich bei anderen Frauen gesehen habe, überzeugt, dass jede das lernen kann und sollte. Denn jede Frau sollte die Freiheit haben sich überall da aufzuhalten, wo sie es möchte, auch abends, auch an Tagen wie Fastnacht oder Karneval, auch in dunklen Parkhäusern oder wo auch immer.

Nachtrag Lesetipp:

Leider nur noch antiquarisch erhältlich und nichts für schwache Nerven, die Geschichten sind schon sehr heftig: Schlagfertige Frauen. Erfolgreich wider die alltägliche Gewalt.


4 Antworten zu “Sich sicher fühlen als Frau allein unterwegs…”

  1. Bist Du sicher, dass Du „es gibt viel leichtere Opfer“ ausstrahlen willst?
    [auch wenn das Zitat natürlichein wenig aus dem Kontext gerissen ist]

  2. heinzkamke: Bist Du sicher, dass Du “es gibt viel leichtere Opfer” ausstrahlen willst?

    Erwischt, die Formulierung ist schlecht und alles andere als eindeutig.

    Ich bin sicher, ich will und strahle es inzwischen auch aus: „Ich bin kein Opfer.“

    Opfer hat immer was von hilflos, von sich nicht wehren können. Wer in der Opferhaltung bleibt hat gute Chancen immer wieder zum Opfer zu werden.

    Ich meinte mit „es gibt viel leichtere Opfer“ nicht, dass ich dazu auffordern will, sich die Nächste zu suchen. Aber ich meine schon, dass jede selbst an sich arbeiten kann und sollte, um nicht wie ein Opfer zu wirken.

    Klarer? Oder meintest du ganz was anderes?

  3. Nnee nee, ich hatte Dich schon richtig verstanden, und Deine Sichtweise zum Thema „Opfer sein“ teile ich (auch wenn es sicherlich Gegenbeispiele gibt); ich war tatsächlich nur über die Formulierung gestolpert, wobei mir klar ist, dass Du selbstverständlich nicht dazu auffordern willst, „sich die Nächste zu suchen“.

  4. heinzkamke: auch wenn es sicherlich Gegenbeispiele gibt

    Ganz klar, es gibt Gegenbeispiele. Es gibt ein Buch zu solchen Geschichten, ich habe es als Nachtrag in den Artikel eingefügt, es ist jedoch leider nur noch antiquarisch erhältlich. Da geht es um Geschichten, wie Frauen sich gewehrt haben, am Ende hat jede überlebt, aber ganz sicher war keineswegs jede ein „typisches Opfer“.

    Egal mit welchem Verhalten, es gibt keine Garantie, dass nichts passieren kann. Jedoch lässt sich mit dem eigenen Verhalten die Wahrscheinlichkeit deutlich heruntersetzen.

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