Welche Sexualität hast du, welche habe ich?

Motorrad mit Handtasche CSD am See

mit Kleid und Handtasche Motorradfahren beim CSD am See Da war ja die Geschichte mit Hitzelsperger, der erste prominente Nationalspieler, der sich öffentlich als homosexuell outete. Was es dazu unterm Strich zu sagen gibt, fasst die Kathleen schön zusammen: „Wieso ist die korrekte Antwort nicht „So what?!?!

Akzeptanz sexueller Vielfalt

Aktuell gibt es ja außerdem diese Petition, die den Untergang des Abendlands und der heilen Welt vermutet, falls es dazu käme, dass in Schulbüchern Baden-Württembergs andere Formen des Zusammenlebens als „Vater, Mutter, Kind“, vorkämen. Das Ziel der Akzeptanz sexueller Vielfalt ist einigen schon zu viel. Dazu sagte Guido Maria Kretschmer kürzlich in einer Sendung (Zimmer frei vom wdr):

„Was denken denn die Leute? Das ist doch kein Ausbildungsberuf, hurra jetzt mach ich ne Ausbildung und werde schwul.“ „Ich wünsche den 68.000 Menschen, die da unterschrieben, denen wünsche ich  ganz viele lesbische und schwule Kinder – von Herzen.“
(Schlussendlich haben 192.440 die Petition unterzeichnet, davon 81.998 aus Baden-Württemberg, das sind also etwa ein Prozent der Wahlberechtigten im Land.)

Annahmen über sexuelle Orientierung

Bei einem CSD fragte mich eine Reporterin einer Tageszeitung einiges dazu, warum ich bei einem CSD mit vorne weg fahre. Ganz selbstverständlich nahm sie an, dass ich lesbisch sei. Ich kommentierte das nicht, sie darf denken, was sie will. Allerdings fiel es mir auf, dass es es die normale Annahme ist, wenn sich jemand engagiert, dann wohl weil eben selbst homosexuell.

Alternativ gibt es das auch anders, sobald jemand hört, dass ich mit einem Mann verheiratet bin, geht die Person davon aus, dass ich heterosexuell bin.

Klar, die Chance ist hoch, dass Menschen, die mit einem Menschen eines bestimmten Geschlechts liiert sind, dann eben je nach dem entweder heterosexuell oder homosexuell sind. Aber das hieße auch, dass Menschen eben schlicht homo- oder heterosexuell sind.

Motorradfrauen in der Fußgängerzone - CSD am SeeSexuelle Vielfalt

Zur sexuellen Vielfalt zählt üblicherweise erst einmal das Offensichtliche. Da geht es also um die Annahmen, dass zwei Frauen die zusammen leben wohl lesbisch seien, zwei Männer schwul und gemischte Paare wohl heterosexuell. Doch, an sich ist sexuelle Vielfalt ja noch deutlich mehr, als homo- und heterosexuell.

Es fehlt also doch einiges, denn es gibt z.B. asexuelle Menschen, es gibt bisexuelle Menschen und es gibt weitere Formen der  sexuellen Orientierung.

Tja, und auch das war’s noch bei weitem nicht, da existiert auch die sexuelle Identität. Seit 2013 ist es in Deutschland möglich, dass nicht mehr entschieden werden muss, ob ein Kind männlich oder weiblich ist, sondern als Geschlecht kann andere eingetragen werden. Damit muss jetzt bei Intersexuellen nicht mehr sofort eine Zuordnung zu männlich oder weiblich vorgenommen werden. Das ist ein Fortschritt, denn nicht immer ist der Körper eindeutig, noch viel weniger ist eindeutig, welchem Geschlecht sich eine Person zugehörig fühlt, unabhängig ihrer körperlichen Merkmale.

Nun, und fürs Bild der heilen Welt fehlt noch immer etwas. Die sexuelle Präferenz ist ein weiterer Aspekt. Was genau für eine Person sexuell stimulierend ist, ist sehr verschieden. Von reinen Händchenhalten ohne weiteren körperlichen Kontakt bis hin zu BDSM gibt es eine große Bandbreite. Manches wurde lange als Krankheit betrachtet, inzwischen reift die Erkenntnis, dass Sexualität – gleich welcher Form – selbstbestimmt sein darf. Die Grenzen dessen liegen darin, dass nur Erwachsene für sich selbst entscheiden können, wie sie mit ihrer Sexualität umgehen wollen. Sehr klar gefasst, ist das im Umfeld BDSM, dort gibt es den Begriff SSC (safe, sane and consensual) übersetzt also in etwa „sicher, mit klarem Verstand und in gegenseitigem Einverständnis“.

Motorradfrauen vor der Parade zum CSD am SeeWelche Sexualität habe ich?

Wie schon erwähnt beim CSD vermuten die Meisten, ich sei lesbisch. Wer mitbekommt, dass ich mit einem Mann verheiratet bin, meint ich sei heterosexuell. Wenn ich in einem Swingerclub bin, denkt man, ich hätte eine Vorliebe für wechselnde Sexualpartner. Bei einem BDSM-Stammtisch nehmen die Menschen an, ich wäre entweder masochistisch, sadistisch, wäre Top oder Bottom oder würde gern switchen. Je nach meinem Auftreten und Kleidungsstil lässt sich noch manches andere vermuten. Doch all das sind nur Annahmen. Vermutungen auf Grund der ein oder anderen Information.

Ich dachte früher solche Annahmen hätten mit der Norm zu tun. Was am Häufigsten vorkommt, wird einfach mal vorausgesetzt, zunächst also erst einmal Heterosexualiät. Im Lauf der Zeit habe ich festgestellt, dass es so nicht stimmt. Die Annahme der meisten Menschen geht von ihrer eigenen Sexualität aus. Noch nie nahm, für mich erkennbar,  jemand an, ich könnte bisexuell sein. Bei einem BDSM-Stammtisch würde niemand vermuten, dass ich kein eigenes Interesse an BDSM haben könnte.

Welche Sexualität ich habe, welche Vorlieben ich habe oder auch nicht, das ist für mich etwas sehr Persönliches. Es ist eine wichtige Information für potenzielle Sexualpartner. Aber es ist definitiv nichts, was irgendwen sonst etwas angeht.

Ich höre ein: „klar, logisch“. Es wird wohl wenige wundern, wenn ich nicht öffentlich schreibe, welche Form von Sexualität ich bevorzuge.

Andererseits frage ich mich dann, was genau ist dann das Problem, wenn Menschen zusammenleben? Wenn zwei Männer oder zwei Frauen ein Paar sind, wenn sie eventuell eine eingetragene Lebenspartnerschaft haben, dann kann ich vermuten, dass sie auch eine gemeinsame Sexulität haben. Aber ich weiß es nicht. Die beiden könnten auch asexuell sein und ihr Zusammenleben rein platonisch. Ich weiß es nicht und es geht mich auch nichts an, solange ich nicht einen als potenziellen Sexualpartner betrachte. Heutzutage ist es wahrscheinlich seltener, aber es gibt sicher immer noch Ehen eines Mannes und einer Frau, die beide homosexuell sind. Eine Ehe sagt noch nichts über die Sexualität aus. Gute Freunde können aus ganz anderen Gründen als einer gemeinsamen Sexualität heiraten und eine gute Ehe führen.

Moped fahren auch im Stehen CSD am SeeOffenheit für andere

Als ich ein Kind war, dachte noch niemand daran, dass der 175er mal abgeschafft werden könnte. Damals sprach man nicht über Schwule, sondern wenn dann über 175er. Ich komme aus einer Familie in der Religion und Tradition sehr wichtig waren. Manche in dieser Familie konnten sich kaum vorstellen, dass es etwas anderes als eine Familie mit Vater, Mutter, Kind geben könnte.

Mir hat man jedoch trotzdem immer beigebracht, dass ich nicht das Recht habe, über Menschen zu urteilen, egal ob mir gefällt was sie tun oder nicht. Mein Großvater hat mir erklärt, dass ich nie wissen könne, wie ich wäre, wenn mein Leben so verliefe, oder so wäre, wie das einer anderen Person. Deshalb hätte ich niemals das Recht zu urteilen, ich müsse immer akzeptieren, dass Menschen ihren eigenen Lebensweg haben.

Zum Thema andere sexuelle Orientierung erinnere ich mich noch heute an ein Gespräch mit meiner Mutter. Ich war noch sehr klein, noch nicht einmal in der Schule. Wir waren in der Stadt gewesen und es dauerte noch lange bis der nächste Bus nach Hause fahren würde. Sie sagte, wir würden was trinken gehen in einer Kneipe. Ich fragte warum gerade diese Kneipe, meine Mutter sagte: „Der Ober dort, der ist nett und er ist ein 175er also ist es dort sicher.“ Obwohl ich sehr jung war, wusste ich sofort was sie mit sicher meinte. Sicher hieß, da wäre niemand der Grenzen überschreitet, niemand der sie küssen wolle oder so was.

Für mich, war daher von klein auf, schwul nicht weniger normal, es war nur etwas seltener. Ich habe früh gelernt, dass mich die Art, wie ein Mensch sein Leben gestaltet, nichts angeht, ich habe sie einfach zu akzeptieren.

Motorrad mit Handtasche CSD am SeeAkzeptanz

Viele sind bereit zu tolerieren, dass andere Menschen nicht so leben wie sie selbst. Zumindest solange es nicht so ist, dass sie selbst etwas davon mitbekommen. ‚Die Homosexuellen können hinter verschlossenen Türen ja tun was sie wollen, aber…‘ ‚Beim CSD könnte man doch auch etwas weniger bunt und auffällig sein.‘ ‚Immerhin gibt es ja nur wenige CSDs bei denen auch diese SM-er noch dabei sind.‘  Das ist so tun, als wäre man tolerant.

Ich bin nicht perfekt,  mir fällt akzeptieren zuweilen auch schwer.  Insbesondere dann, wenn ich den Eindruck habe, dass eine Person mit ihrem Weg nicht glücklich ist, fällt es mir schwer zuzusehen. Für mich ist jedoch gerade Sexualität der einfachste Bereich andere so zu akzeptieren, wie sie selbst es für sich entschieden haben.  Ich weiß von den meisten Menschen nicht einmal, ob sie irgendeine Form von Sexualität ausleben und noch viel weniger welche. Es fällt mir meistens also gar nicht auf,  ob ich ihren Weg für richtig hielte.

Tolerieren bedeutet notfalls nicht dagegen anzugehen, wie andere mit ihrer Sexualität umgehen. Das klingt doch schon schräg. Wer kann ernsthaft annehmen, das Recht zu haben sich in die Sexualität anderer einzumischen?!

Akzeptieren dagegen heißt ja im Grunde nur,  dass ich nicht versuche andere zu ändern. Sollten wir nicht alle irgendwann kapiert haben, dass jeder von uns nur genau einen Menschen auf der Welt ändern kann – nämlich sich selbst?!

Die Mehrzahl der Fotos in diesem Beitrag, darf ich mit freundlicher Genehmigung von seeandfeel.us verwenden. Diese und weitere Bilder findet ihr dort: http://www.seeandfeel.us/de/events/germany/events/deutschland/konstanz/csd-am-see.html. Auch im Südkurier wurde mit Bildern berichtet, siehe Bericht im Südkurier zum CSD und Galerie zum CSD Umzug. Ein Foto stammt vom einer Fotografin des belladonna Konstanz, die Organisation der Motorradfrauen, die dem CSD voraus fahren läuft übers bella. Weitere Artikel zum Christopher Street Day, siehe das Tag csd

4 Antworten zu “Welche Sexualität hast du, welche habe ich?”

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