Es ist an der Zeit… endlich zu Hause


Vom ersten Teil  an, wollte ich alle weiteren Teile im Dreitagesrhythmus veröffentlichen, das klappte jedoch nicht ganz wie geplant, der vorige zehnte Teil dieser Serie, ist bereits länger her…

Das Kind war Zuhause, das war ein echter Fortschritt. Es ging auch hier nicht alles glatt und problemlos, aber es war eine ganz andere Atmosphäre. Er erzählte jetzt manchmal, dass es ihm in der Klinik sehr schwer gefallen mitanzusehen mit welchen Schwierigkeiten einige zu kämpfen hatten.

Zunächst war es auch Zuhause so, dass er möglichst allen Kontakten aus dem Weg ging. Der Nachteil nicht mit ihm Auto oder Bus fahren zu dürfen, wirkte sich jedoch in dieser Hinsicht zu einem  Vorteil aus. Wenn er zwischen – beim Vater und bei mir wohnen – wechselte, dann mussten wir daraus einen Spaziergang machen. Gleiches galt für Arzttermine in der Kinderklinik. Manche Klassenkameraden hörten, dass er wieder da war und kamen zu Besuch. Er beobachtete alle Menschen, die ihn noch nicht mit Gerüst gesehen hatten genau und die Scheu vor etwaigen Reaktionen wurde auch nicht weniger, egal wieviele es einfach hingenommen hatten.  Aber insgesamt hatte er Stück für Stück mehr Kontakt und fast so etwas wie einen Alltag.

Wieder mal kämpfen…

Die nächste Runde war dann wieder in Freiburg, der Kampf mit den Ärzten vor Schulbeginn. Als ich das erste Mal ansprach, dass ich meine er sollte nach den Ferien in die Schule gehen, gab es ein striktes Nein, auf keinen Fall, unvorstellbar. Ich argumentierte und mein Sohn bestätigte mit seinem Verhalten meine Argumentation. Es hätte ihm insgesamt bereits viel besser gehen können, die körperlichen Probleme wurden von Tag zu Tag weniger, aber es ging ihm schlecht, weil er mit dem Gerüst nicht klar kam und weil er viel zu viel Zeit zum Grübeln hatte.

Irgendwann hatte ich gewonnen, es wurden Bedingungen vereinbart, aber ich hatte die Genehmigung, er durfte in die Schule. Verboten war der Pausenhof, verboten waren Massenansammlungen, verboten war weiterhin jedes Fahrzeug oder ähnliches außer dem Krankenwagen nach Freiburg und zurück, verboten war, dass er allein irgendwo hingeht. Ich war glücklich mit der Genehmigung, weil ich mir sicher war, dass das der einzige Weg zurück in einen einigermaßen normalen Alltag war. Mein Sohn und auch sein Vater waren nicht sonderlich begeistert, sie hatten wohl gehofft, es bliebe bei dem Nein der Ärzte.

Es war einiges an Planungsaufwand nötig und ohne Freunde und mehrere Beiteiligte am Abhol- und Bringdienst wäre es nicht gegangen. Täglich musste er zur Schule gebracht werden, täglich um verschiedene Zeiten abgeholt werden (vierte Klasse Grundschule glänzte nicht gerade durch Regelmäßigkeit). Insgesamt waren wir sechs Erwachsene, die das untereinander absprachen und so regelten, dass es möglich war. Einige Male nahm ich meinen Sohn dann mit in den Unterricht meiner Umschulung zur Fremdsprachenkorrespondentin. Er machte dann seine Hausaufgaben und ich hatte nur wenig zusätzliche Fehlzeiten durch das Abholen.

Es dauerte etwa ein, zwei Wochen bis offensichtlich wurde, dass mein Plan klappte. Doch dann war da wieder ein Junge, der an den von vor der OP erinnerte, er spielte, er sprach, seine Kumpels waren wichtiger als andere, er aß, er trank, er ging zur Schule…

So allmählich wird es Alltag

Unterbrochen wurde das Ganze durch regelmäßige, teils jedoch nur ambulante Termine in Freiburg zur genauen Verlaufskontrolle. Im Grunde waren es von der OP bis zum Entfernen des Gerüsts ziemlich genau zehn Wochen, im Nachhinein klingt das nicht viel. Aber es waren zehn Wochen in denen alle unterschwellig die Angst hatten, es könnte doch noch etwas schief gehen. Es waren 70 Tage, in denen zwar irgendwann auch eine Art Alltag einkehrte, der war jedoch organisatorisch nicht ganz trivial:

  • es gab dieses Abholen und Bringen zur Schule
  • es gab die regelmäßigen Termine in Freiburg,
    • immer beide Fahrten im Krankenwagen, das musste immer organisiert werden, es war immer Begleitung nötig,
  • der Junge konnte mit Gerüst sehr viele Klamotten nicht tragen
    • das Wetter von August bis Oktober erforderte verschiedene Versionen
  • er konnte nicht duschen
  • er durfte nicht mehr in seinem Hochbett übernachten
  • er konnte einiges im Alltag mit Gerüst nicht allein, was vorher nie ein Problem war

Deshalb war es am Ende doch eine recht lange Zeit dieses knappe Vierteljahr. In dieser Zeit war kaum etwas längerfristig planbar, denn meist war nur der nächste Freiburgtermin in der Kinderklinik bekannt, aber nicht was genau dann sein wird. Häufig mussten bei den Terminen die Schrauben nachgezogen werden. Ich habe ja schon berichtet, welche Tortur das war.

Endlich kein Gerüst mehr

Irgendwann kam der Termin, bei dem direkt die stationäre Aufnahme für kurz danach geplant wurde. Endlich waren die Untersuchungsergebnisse so, dass das Gerüst nicht mehr nötig wäre. Vorm Entfernen des Gerüsts waren natürlich nochmals einige Untersuchungen nötig. Wieder verzögerte sich alles, wieder einmal die Diskussion, es wäre doch gut, er bliebe noch bis Montag. Aber schlussendlich nachdem auch noch eine passende Halskrause aufgetrieben werden konnte durfte er am Samstag gehen.

Der Junge brauchte einige Tage, bis er sich tatsächlich so bewegte, wie es nun möglich war. Er spürte zwar, dass das Gerüst weg war, aber es war eine viel zu lange Zeit mit dem Teil, als dass er sich jetzt sofort wieder normal bewegen können. Er genoss das erste Bad, das erste mal wieder richtig Haare waschen und gleich auch ein bisschen nachschneiden, was jetzt viel leichter ging. Alles Dinge, die jetzt lange Zeit nicht möglich waren. Er erschreckte sich, als er die ersten Male den Kopf drehte, nach unten oder nach oben sah und bemerkte, dass es ja wieder ging.

In all der Freude über das was plötzlich alles klappte, fiel bei vielen Sachen erst jetzt auf, was alles über diese Zeit nicht möglich war. Damit war schon auch einige Male verbunden, mal kräftig zu schlucken, wenn klar wurde wie massiv eingeschränkt die Wochen davor waren.


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