Recht auf informationelle Selbstbestimmung gesetzlich einschränkbar

Mammographie-Screening-Einladungen und Flyer nach Melderegister

Mammographie-Screening-Einladungen und Flyer nach MelderegisterKürzlich war im Briefkasten ein Brief mit dem Absender und Logo Mammografie-Screening, für jemand, die schon eine Biopsie nach einer Mammographie hatte, nicht gerade nett, unvermutet einen solchen Brief zu bekommen. Tatsächlich war es jedoch nicht, wie kurz befürchtet, irgendwas in diesem Zusammenhang.

Es war eine Einladung zum Mammografie-Screening der Mammographiestelle Baden-Württemberg. Im Anschreiben und auf der Webseite unter Datenschutz, wird explizit auf den kontrollierten und ernstgenommenen Datenschutz hingewiesen. Andererseits steht da, die amtlichen Melderegister übermitteln die relevanten Daten, für die Einladungen.

Vor vielen Jahren habe ich der Datenweitergabe übers Melderegister widersprochen. Die Einladung bekam ich jedoch offensichtlich übers Melderegister. Ich fragte also dort nach und bekam eine umfassende Antwort:

In unserem Melderegister sind folgende Sperren in Ihrem Datensatz eingetragen:

Direktwerbungssperre keine Auskunftserteilung für Zwecke der Direktwerbung
Pressesperre keine Veröffentlichung von Alters- und Ehejubilaren
Parteisperre keine Weitergabe der Daten an Parteien/Wählervereinigungen
Adressbuchssperre keine Aufnahme ins gedruckte und elektronische
Adressbuch und die Internet-/Direktauskunftssperre.

Leider beziehen sich die oben genannten Sperren nicht auf die Datenübermittlung des Mammographie-Screenings.
Laut § 14 Meldeverordnung (MVO) dürfen die Meldebehörden an die Zentrale Stelle zur Durchführung des Einladungswesens im Rahmen des Mammographie-Screenings alle 3 Monate die Daten übermitteln. Eine Übermittlungssperre kann hierfür nicht eingerichtet werden.

Übermittlungssperre wird durch Gesetz ausgehebelt

Eine Übermittlungssperre ist hierfür nicht möglich. Auf Grund des Gesetzes zur Durchführung kann ich also nicht verhindern, dass meine Daten hierfür zunächst einmal gemeldet werden.

Wie das mit Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung zusammen passt, erschloss sich mir nicht, ich fragte also beim Landesbeauftragten für den Datenschutz Baden-Württemberg nach.

Anfrage beim Landesbeauftragten für den Datenschutz

Auch hier bekam ich eine umfassende Antwort:

Durch das Gesetz über die Zentrale Stelle zur Durchführung des Einladungswesens im Rahmen des Mammographie-Screenings vom 28. Juli 2005 (GBl. 2005, S. 584) wurde diese als öffentliche Stelle errichtet und unterliegt als solcher unserer datenschutzrechtlichen Aufsicht.

Das Mammographie-Screening-Programm wird allen Frauen von 50 bis 69 Jahren angeboten. Frauen dieser Altersgruppe werden alle zwei Jahre persönlich zu einer Früherkennungsuntersuchung eingeladen. Die Teilnahme ist freiwillig. Erklärt eine eingeladene Frau die Verweigerung der Teilnahme, wird für diese eine Sperre auf Lebenszeit eingetragen. Sie erhält in der Folge bis zu einer eventuellen Rücknahme keine Einladungen mehr. Der Datensatz wird in der Meldeliste gelöscht.

Nach § 14 der Meldeverordnung darf die Meldebehörde zum Zwecke der persönli-chen Einladung zur Teilnahme am Mammographie-Screening der Zentralen Stelle alle drei Monate folgende Daten der bei ihr mit alleiniger Wohnung oder mit Haupt- wohnung gemeldeten Frauen übermitteln, die nach der Mammographie-Altersgrup- pen-Verordnung einzuladen sind: Familienname, Vorname, frühere Namen, Doktor- grad, Tag und Ort der Geburt, gegenwärtige Anschrift. Das Gesetz räumt den Betroffenen grundsätzlich nicht das Recht ein, Datenübermittlungen an Behörden und öffentliche Stellen zu widersprechen.

Im November 2008 hat unser Amt einen datenschutzrechtlichen Kontrollbesuch bei der Zentralen Stelle durchgeführt. Anlässlich dieser Kontrolle konnten wir feststellen, dass die Zentrale Stelle die gesetzlichen Vorgaben beachtet und die Datenschutz- rechte der Frauen wahrt.

Abschließend versichern wir Ihnen gerne, dass wir Verständnis dafür haben, falls Sie sich durch den von Ihnen vorgetragenen Sachverhalt beschwert fühlen sollten. Für die Beurteilung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit ist jedoch grundsätzlich maßgeblich, ob für die Einschränkung des informationellen Selbstbestimmungsrechtes des Einzelnen – wie hier gegeben – eine entsprechende gesetzliche Regelung vorliegt. Auch ist zu beachten, dass es innerhalb der verfassungsrechtlichen Grenzen in der Verantwortung des jeweiligen Gesetzgebers liegt, was er wie gesetzlich regeln möchte. Bislang sind die genannten Vorschriften nicht als verfassungswidrig angesehen worden.

Datenschutz wird durch Gesetz ausgehebelt

Der juristischen Logik kann ich folgen, aber für mein Gefühl bleibt es falsch. Für mich steht da: „Solange eine Idee des Gesetzgebers also nicht gerade verfassungswidrig ist, können alle meine Rechte auf informationelle Selbstbestimmung mal eben gekickt werden.“

Auf meine Anfrage bei mammoscreen-bw.de bekam ich auf eine E-Mail, per Post die Antwort, wie ich mich abmelden müsse, falls ich es nicht wolle. Ich wollte erstmal alle Antworten, inklusive der des Datenschutzbeauftragten abwarten. Jetzt habe ich bereits die nächste Einladung, wieder mit Termin und weiterem Flyer zum Programm.

 


2 Antworten zu “Recht auf informationelle Selbstbestimmung gesetzlich einschränkbar”

  1. Ich gebe Dir Recht, das eine Einschränkung des Rechtes auf informelle Selbstbestimmung per Gesetz zumindest kritisch zu sehen ist.

    In diesem Fall, bzw. dort, wo es um die eigene Gesundheit geht, finde ich es aber durchaus in Ordnung, das man einer Weitergabe der Daten nicht von vornherein widersprechen kann, sondern erst nach der ersten Kontaktaufnahme ein Opt-Out machen kann.

  2. Heiko, ich habe länger überlegt. Einerseits verstehe ich die Intention. Aber dieses zentrale Register gefällt mir gar nicht.
    Hinzu kommt, dass es ja nicht automatisch eine kostenlose Leistung ist. Irgendwo steht, privat versicherte Frauen sollen sich vorher informieren, ob ihre Kasse es übernimmt.
    Meine Krankenkasse informiert mich über die Vorsorgeangebote, wie Mammographie. Meine Gynäkologin rät zu diesen Untersuchungen. Und trotzdem wird es zentral nochmal gemacht.
    Die Grundidee zu einem Termin einzuladen, die finde ich gar nicht schlecht. Hätte meine Krankenkasse mir geschrieben, ob ich das regelmäßig möchte, mit Klick zu einem Opt-In-Formular, hätte ich wahrscheinlich ja gesagt.

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