Es ist an der Zeit… unterwegs nach Freiburg


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Es täte ihm leid, meinte er, er wisse, das sei nicht einfach, aber er könne leider nicht die Verantwortung übernehmen, dass wir erst morgen fahren. Wir seien angemeldet, man erwarte uns noch heute abend in der Kinderklinik. Er wünsche uns alles Gute und hoffe, dass alles gut verlaufe. Die in der Klinik dort seien jedenfalls kompetent und nett. Mein Sohn und ich fuhren also noch am frühen Abend los und zur Kinderklinik. Die Fahrt verbrachten wir mit viel recht lauter überwiegend deutschsprachiger Musik, damit wir beide mitsingen konnten. Bereits nach wenigen Kilometern konnte ich sehen, dass die Fahrt für ihn hart werden würde. Seit der letzten größeren Strecke, hatte sich sein Zustand wohl auch hierfür noch rapide verschlechtert. Im Halbliegen mit Kissen und mit seiner fast immer irgendwie doch noch ganz guten Laune, mal singend, mal bei leiserer Musik über die Situation redend, verbrachten wir die knapp drei Stunden Fahrzeit. Ich fuhr vor allem in Kurven deutlich langsamer als sonst, weil es ihm dabei offensichtlich schlechter ging.

Dort angekommen hatten wir wohl beide gehofft, dass noch irgendwas geklärt würde. Doch der erste Tag begann bereits so, wie noch einige im Anschluss. Es passierte nichts, eine kurze Begrüßung, ausnahmsweise, dürfe ich mit im Zimmer übernachten, weil ich so spät wohl nichts mehr finden könnte. Ein kleines Vesper gab’s noch und dann waren wir wieder allein. Der Junior schlief irgendwann, der Tag war anstrengend und glücklicherweise klappte schlafen. Ich war wie ein Tiger im Käfig und wechselte alle paar Minuten vom Zimmer nach draußen vor die Tür um eine weitere Zigarette zu rauchen, schon nach wenigen Zügen nervös, ob mit ihm noch alles ok sei. Lesen ging nicht, schlafen ging nicht, rauchen war’s auch nicht. Irgendwann klappte doch noch ein bisschen schlafen.

Kurz nach dem Aufstehen ging es dann los, ein ganzer Plan an Untersuchungen, Frühstück erstmal nicht, denn das Kind durfte nichts essen, ich trank halt Kaffee, aber mehr auch nicht. All die Untersuchungen waren Routineaktionen, die von Assistentinnen durchgeführt wurden. Die waren alle sehr freundlich konnten / wollten aber nichts zu etwaigen Ergebnissen sagen. Zwischendurch mal ein Arzt, der jedoch auch auf das später folgende Gespräch mit dem Oberarzt verwies.

In der Mittagszeit gibts keine Untersuchungen, da riet man mir das Kind mal allein zu lassen und nach dem Elternhaus zu fragen, es gäbe da Übernachtungsmöglichkeiten, falls etwas frei sei. Das sei auch nicht so teuer wie ein Hotel. In diesem Moment fiel mir erstmals auf, dass ich noch ein Problem hatte. Ich war gerade in einer vom Arbeitsamt finanzierten Umschulung. Wie schon gewohnt, wurde bei der Zahlung mein Kind nicht berücksichtigt, denn gemeldet war er ja in der Wohnung des Vaters. Für Miete und Alltag hatte ich es so einigermaßen hinbekommen, dass das Geld einigermaßen reichte, aber ein Hotel? Schon für eine Nacht wäre es kaum bezahlbar, für mehrere Nächte völlig unmöglich.

Ein Beratungstermin ob und wie das mit dem Elternhaus klappen könnte, war tatsächlich noch direkt möglich. Dort sagte man mir, dass es je nach finanziellen Möglichkeiten Zuschüsse gäbe vom Förderverein für krebskranke Kinder e.V.  Ob ich Zuschuss in dem Moment verstanden habe, weiß ich nicht mehr. Was ich in dem Moment das erste Mal wirklich realisiert habe, war „krebskranke Kinder“. Ja, heute und im Nachhinein denke ich, es war naiv, dass ich irgendwie keinen Zusammenhang zwischen dem Begriff Tumor und krebskrankes Kind hergestellt hatte. Bis zu diesem Moment war es für mich, dieses Ei, da an der Wirbelsäule, was ein Problem ist. Gut, ich hatte Tumor gehört, aber nicht wirklich realisiert. Bis zu diesem Moment war da für mich mein Kind und das Problem mit dem Ei, aber es war nicht mein Kind,  ist ein krebskrankes Kind.

Inzwischen ist das Ganze zehn Jahre her, ich schlucke immernoch, auch jetzt beim Tippen. Erstaunlich finde ich mein Gedächtnis an manchen Stellen, ich habe die Daten jetzt beim Schreiben kurz überprüft, aber sowohl Daten, wie Wochentage waren alle korrekt.  Ich habe mich lange um diese Geschichte gedrückt. Vieles einfach nur weit weg gepackt, nicht angetastet, versucht es einfach zu ignorieren. Anderes, insbesondere direkt auf meine Sohn bezogen, immer mal wieder vorsichtig angesprochen.

Vierter Teil


4 Antworten zu “Es ist an der Zeit… unterwegs nach Freiburg”

  1. […] Na, da habe ich es doch im vierten Teil hinbekommen, nochmal kurz einen schönen großen Bogen um das zu machen, womit ich mich nicht so gern beschäftige. Klar, die Informationen gehören auch dazu, aber so ein bisschen ertappt habe ich mich doch. Gut, also zurück zum Thema, ich war dabei zu erzählen, dass ich auch heute noch Mühe habe, mit dieser Zeit vor zehn Jahren. […]

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